Gerhard Richter, der wohl bedeutendste lebende Künstler, wird heute 80 Jahre. Immer wieder hat er sich im Laufe seines Schaffens mit politischen Themen und Krieg auseinandergesetzt, z.B. Anfang/Mitte der 1960er Jahre mit seinen Arbeiten zu Kampfflugzeugen („Phantom-Abfangjäger“, 1964; „Bomber“, 1963; „Stukas“, 1964; „Mustang-Staffel“, 1964, etc.; bemerkenswert ist nicht zuletzt die Ästhetik der Sujets), in seinen Werken zur RAF oder auch in Einzelwerken wie dem abstrakten, expressiven „Krieg“ (1981). Die Unschärfe des lächelnden „Onkel Rudi“ (1965) begeistert nach wie vor, das Werk läßt den Betrachter förmlich frösteln. Auch gab er Tätern wie Opfern der NS-Euthanasie ein Gesicht, etwa mit den Arbeiten „Herr Heyde“ (1965) und „Tante Marianne“ (1965).
In dem überaus lesenswerten Interview in der SZ vom 15.3.2009 sprach der Künstler auch über sein eigenes Kriegserleben:
„Als Dresden bombardiert wurde, lebten wir in einem kleinen Dorf an der tschechischen Grenze. Für mich war der Krieg mehr ein großes Abenteuer als eine grauenvolle Sache. Zwölf Jahre war ich alt, als ich einige Soldaten, die auf dem Rückzug waren, voller Bewunderung beobachtete und ihnen stolz verkündete, ich würde auch bald Soldat sein. Einer von ihnen reagierte daraufhin sehr zornig und meinte: Für den Stuss müsste man dir den Hintern verhauen. Das hat mich schon sehr nachdenklich gemacht, sonst hätte ich es mir wohl nicht so genau gemerkt.“
Richters Biographie ist geprägt von den historischen Zerwürfnissen Deutschlands: Er wuchs in Reichenau (heute das polnische Bogatnya) und Waltersdorf auf. Seine an Schizophrenie erkrankte Tante Marianne Schönfelder wurde – nachdem sie 1938 zwiangssterilisiert worden war – im Februar 1945 im Rahmen der sog. „Aktion Brandt“ von NS-Ärzten ermordet. Nach Ablehnung seines Aufnahmeantrags für die Hochschule der bildenden Künste in Dresden im Jahr 1950 raten ihm die Prüfer, sich in einem staatseigenen Betrieb anstellen zu lassen, um seine Chancen auf Aufnahme zu erhöhen, was sich im Folgejahr als erfolgreich erweist. 1957 heiratete er Marianne Eufinger, die Tochter des Gynäkologen Prof. Heinrich Eufinger – in der Nazizeit war dieser als SS-Obersturmführer für ca. 900 Zwangssterilisationen verantwortlich (was Richter erst später erfahren sollte). Kurz vor dem Bau der Berliner Mauer floh Richter Ende Februar 1961 über West-Berlin nach Westdeutschland und setzte sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf fort.
Sein Werk ist so vielschichtig wie mächtig. Somit wünschen wir ein langes Leben, gute Gesundheit und weiterhin frohes Schaffen und freuen uns auf die Ausstellungen über sein Werk, u.a. in der Neuen Nationalgalerie in Berlin!
Glatt verpasst den Geburtstag. Ich habe allerdings noch eines seiner Werke im Regal stehen. Wird Zeit zum entstauben 😉