Franklin J. Schaffners „Patton – Rebell in Uniform“ (OT: „Patton“) aus dem Jahr 1970 ist groß. Sieben von zehn nominierten Oscars bei den Academy Awards des Jahres 1971, fast 62 Mio.$ Einspielergebnis bei einem Budget von 12 Mio.$ und eine Eröffnungssequenz, die in die Filmgeschichte eingegangen ist: Pattons fiktive Rede vor der 3. US-Armee, inszeniert auf einer riesigen, von gewaltigen Vorhängen flankierten Bühne, im Hintergrund eine vollkommen überdimensionierte Flagge der USA, welche die Bühne und den General zu zerschlagen droht, verspricht ein fulminantes Filmerlebnis.
George S. Patton alias George C. Scott glänzt: Uniform, Abzeichen und Dekorationen des Generals ebenso wie die Schauspielleistung von Scott, dessen markig-heisere Stimme den Ton für die Darstellung des exzentrischen Militärs während der nun folgenden fast drei Stunden Spielzeit vorgibt. Drei Stunden, die zeigen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Doch zurück zum Anfang: In einer weitläufigen Exposition sehen wir Scotts Patton zunächst als straffen Kommandanten der undisziplinierten amerikanischen Truppen in Tunesien und später bei der Invasion Siziliens – stets im Wettstreit mit seiner Nemesis Feldmarschall Bernard Montgomery. Ein von soldatischer Akkuratesse, Disziplin und Härte durchdrungener Charakter, gleichzeitig jedoch ein selbstverliebter, eitler und nach Ruhm heischender Pfau in Uniform, der an seine fortwährende Reinkarnation als Soldat und Kämpfer glaubt. Leider spielt Scott den Militär in seiner Arroganz so überzeugend, dass die Figur während der ersten Hälfte des Films nahezu keine Identifikationsmomente zulässt und es manchem Zuschauer schwerfallen dürfte, sich aus lauter Abneigung gegen den sich etwa in einer Szene selbst zum Drei-Sterne-General befördernden Patton auf die – zugegebenermaßen langatmige – Handlung des Films zu konzentrieren. Im Gegensatz zu den heute die Fernseher und Leinwände bevölkernden soldatischen Führungspersönlichkeiten eines Major Richard D. Winters (Damian Lewis) aus der Mini-Serie „Band of Brothers – Wir waren wie Brüder“ (OT: „Band of Brothers“oder des von Mel Gibson verkörperten Lieutenant Colonel Hal Moore in „Wir waren Helden“ (OT: „We Were Soldiers„) wirkt die Figur des Patton wie ein Monolith aus ferner Zeit.
Verstanden wird dieser „Mann aus dem 16. Jahrhundert“ allein von dem ihn ebenso bezeichnenden Hauptmann Oskar Steiger (Siegfried Rauch), der Patton und seine Pläne nicht nur für die deutsche Aufklärung analysiert, sondern – und dies scheint seine einzige Funktion zu sein – auch für den Zuschauer. Eine ähnliche Aufgabe übernimmt Karl Malden in der Rolle des Generals Omar N. Bradley, einem realen Weggefährten Pattons, dessen Memoiren „A Soldier’s Story“ ebenso wie die Patton-Biografie „Patton: Ordeal and Triumph“ von Ladislas Faragó als Vorlagen für den Film dienten. In dem zum überwiegenden Teil hölzern agierenden Cast ist Malden die einzige neben Scott bestehende Figur. So ist es schließlich auch Bradley, der etwa zur Mitte des Films eine entscheidende Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung des Hauptprotagonisten übernimmt: Nach einer persönlichen Verfehlung Pattons – der eben noch Mitgefühl mit den verwundeten Soldaten zeigende Kommandant wird gegenüber einem psychisch labilen Soldaten ausfallend und ohrfeigt ihn mehrfach – wird nicht er, sondern Bradley Befehlshaber über die amerikanischen Truppen beim Angriff auf die Normandie. Patton muss sich öffentlich entschuldigen und erhält den Oberbefehl über die 1.US-Heeresgruppe – eine „Scheinarmee“ auf dem Papier, die nur dazu diente, die deutsche Aufklärung über den wahren Landungsort der Alliierteninvasion zu täuschen. Statt aufrecht in seinem Jeep stehend die in die Schlacht marschierenden Truppen anzuführen und zu motivieren, muss sich der erfahrene Feldherr in der britischen Provinz mit der enervierenden Presse herumschlagen und Reden vor der daheimgebliebenen Damenwelt halten – eine Degradierung und Schmach sondergleichen.
Doch gerade an dieser Stelle bietet sich dem Film die Chance, einen neuen Ton, eine unbekannte Ernsthaftigkeit und Differenziertheit in die Charakterisierung des bis dahin zwar exzellent gespielten, jedoch zunehmend eindimensional wirkenden Patton zu bringen, doch wird diese nicht genutzt. Im Gegenteil: Mit der Rehabilitierung Pattons und seinen militärischen Erfolgen als Kommandant der 3. US-Armee beginnt eine gefühlte Fahrt der „tausend Kürzungen“, bei der bedauerlicherweise nicht nur das historisch, sondern auch das persönlich Interessante auf der Strecke bleibt. Patton ist wieder die „Diva“, wie er sich einmal selbst bezeichnet, die inmitten von Tod und Kampf seine Erfüllung findet – sein „I love it“, ausgesprochen auf dem mit den Leichen seiner eigenen Untergebenen übersäten Schlachtfeld, zeugt hiervon. Gerade die letzten 45 Minuten wirken gehetzt im Kontrast zum ausgiebig dargestellten Wettkampf mit Montgomery auf Sizilien, dessen Kürzung ein potenzielles filmisches Zugeständnis an die Begrenztheit der Erzählzeit gewesen wäre. Zeitsprünge finden ohne erfindliche Erklärung statt, so dass der Einmarsch in das Deutsche Reich und insbesondere die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau und Pattons Reaktion auf die dort stattgefundenen Gräueltaten vollkommen außen vor bleiben.
Stattdessen zitiert der Film lieber seine offen zur Schau gestellten Ressentiments gegenüber den nunmehr alliierten Russen, die an seinen bereits mehrfach geschilderten ungeschickten bis inkompetent wirkenden Umgang mit der Presse erinnert, und greift wieder einmal den Wettkampf mit Montgomery auf: Erneut ist es der politisch protegierte Brite, der zu Ruhm und Ehren kommt, während Patton zum einen sein Kommando über die 3. US-Armee verliert und zum anderen – dies wird über einen Beinahe-Unfall des Generals mit einem Ochsenkarren angedeutet – nicht den von ihm ersehnten Heldentod sterben wird, sondern infolge eines Autounfalls im Jahr 1945, was jedoch nicht mehr im Film gezeigt wird. Am Ende überquert der große General allein mit seinem Hund ein karges Winterfeld, vorbei an einer Windmühle: Es ist eine schöne Reminiszenz an Don Quijote und seinen Gefährten Sancho Pansa im ewigen Kampf gegen das, was nicht zu bekämpfen ist. Der dabei von Patton rezitierte Monolog aus dem Off stammt jedoch nicht aus der Feder von Miguel de Cervantes, sondern aus Robert Paynes „A Roman Triumph“ und schließt mit den ehemals rituell von Sklaven ins Ohr ihrer glorreich heimgekehrten Herren geflüsterten Worten: „All glory is fleeting“.
Ein wenig hat man dieses Gefühl auch bei „Patton – Rebell in Uniform“. Der große Ansatz des Films, das Bild eines der berühmtesten Generäle und Kriegsheroen des 20. Jahrhunderts zu zeichnen, scheitert an den Ansprüchen, die er sich gleich zu Beginn stellt. Ursprünglich hatte sich George C. Scott geweigert, die berühmte Rede vor der amerikanischen Flagge als Eingangssequenz zu spielen, da er befürchtete, seine schauspielerische Leistung könne dieser starken Vorlage nicht standhalten – und in gewisser Weise hat er Recht behalten. Weder gelingt es Franklin J. Schaffner, aus dem Drehbuch von Francis Ford Coppola und Edmund H. North einen überzeugenden Spannungsaufbau zu entwickeln, noch wirkt die Charakterisierung des passionierten Militärs komplex und vielschichtig genug, um vor allen den heutigen Zuschauern eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage geben zu können, was für ein Mensch der „Bandito“ – einer der Spitznamen Pattons – war. Es drängt sich einem das Bild von George C. Scott auf, der ebenso wie das im Film genutzte Topos des Don Quijote allein gegen die Windmühlen von unglaubwürdigen Schlacht- und ungelenken Spielszenen kämpft und dabei nicht bemerkt, dass er sich bereits selbst wie die Räder der Windmühle in seiner eigenen Darstellungsweise dreht. In seiner Unentschlossenheit verpasst das biografische Drama die Chance, den Mythos Patton zu brechen und bleibt so in seiner Dekonstruktion des Heroen unvollständig.
Patton – Rebell in Uniform (OT: Patton)
USA 1970 / 164 min / FSK: 16 / 20th Century Fox
Regie: Franklin J. Schaffner
Drehbuch / Story: Francis Ford Coppola & Edmund H. North
Darsteller: George C. Scott / Karl Malden / Stephen Young / Siegfried Rauch / Michael Bates …mehr
Produzent: Frank McCarthy
Musik: Jerry Goldsmith