Schon wieder bewegt uns eine Nachricht aus Korea, nach der gestrigen Entschuldigung des japanischen Premierministers aufgrund der Kolonialherrschaft 1910-1945: Der deutsche Künstler Dirk Fleischmann nutzt seinen Gastaufenthalt als Visiting Professor an der Hansung University im südkoreanischen Seoul, um von ihm entworfene Hemden und Blusen in Nordkorea produzieren zu lassen.
Wie Niklas Maak in der heutigen FAZ so treffend schreibt:
„Aber die Zahl der Menschen, die ein Hemd ‚Made in North Korea‘ tragen würden, ohne dauernd an Strafkolonien, Sweatshops und atomar verstrahlte Versuchsgelände denken zu müssen, ist noch überschaubarer (als jene, die ‚Made in China‘ akzeptabel fänden), und deshalb gab es auch keine Hemden ‚Made in North Korea‘ – bis jetzt.“
„Und das soll Kunst sein?“ mag man als Raunen in der Leserschaft vernehmen, die 135,- € teuren Hemden betrachtend. Doch nicht nur die Auflage von jeweils 500 Stück, das schlicht-elegante Design (mit den in allen Publikationen hervorgehobenen Lüftungssternen unter den Achseln) und die geringe Verfügbarkeit (vorerst nur sehr wenige Läden) sprechen dafür (und weniger der bisweilen auftretende „Nordkorea-Chic“); mehr noch sind es die Arbeit und der Ansatz des 1974 geborenen Dirk Fleischmann:
Dieser hat sich schon länger mit Makroökonomiemodellen auseinandergesetzt, nicht zuletzt in seinen Arbeiten, die immer wieder auf neuen, oft vernetzten Geschäftsmodellen basieren. Die Hemden werden im Kaesong Industrial Complex hergestellt, einer Sonderwirtschaftszone nahe der innerkoreanischen Grenze. In dieser Region lassen auch viele südkoreanische Unternehmen produzieren – und bei „Made in Korea“ denkt der Verbraucher eben lieber an Süd- als an Nordkorea.
Die unter dem Label myfashionindustries produzierten Hemden der „Made in North Korea Collection“ ändern dies durch einen klar platzierten Verweis auf das Herkunftsland.
Kritik wird es sicherlich geben: Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten einen Monatslohn von 57,50 US$, der allerdings nicht an sie direkt fließt, sondern an die nordkoreanische Regierung. Diese zieht für Sozialleistungen 22,50 US$ ab, während der Rest zu dem offiziellen, aber praktisch überbewerteten Tauschkurs in Won umgerechnet wird. Die konservative südkoreanische Zeitung Chosun Ilbo errechnete somit einen Monatslohn von weniger als zwei US$.
Ist die Aktion also ein weiteres Beispiel, wie man mit postkolonialen Ausbeutermethoden zu Geld und Ruhm kommen kann – oder die Kritik daran? Oder wird vielmehr auf den Ursprung der Waren und die weltweite Vernetzung einerseits und die durch erbrachte Stabilität friedensstiftende Wirkung solcher Sonderwirtschaftszonen andererseits hingewiesen? Die weiteren Arbeiten von Fleischmann können mit Interesse erwartet werden.
myfashionindustries Flagship Store
Seongbuk-gu
Dongsomun-dong 1-ga, #18-300
136-031 Seoul
Öffnungszeiten auf Anfrage per Email
In Deutschland werden die Hemden bei AZITA in Frankfurt/Main angeboten.
Eine Ausstellung am Bielefelder Kunstverein ergänzt die Aktion:
Dirk Fleischmann: „Limuranin, Kaesong und Rosario“
4. September bis 1. November 2010
Bielefelder Kunstverein
Im Waldhof, Welle 61
33602 Bielefeld
Öffnungszeiten: Do/Fr 1500-1900h, Sa/So 1200-1900, Mo-Mi auf Anfrage
Vernissage: 3. September 2010, 1900h