Der preisgekrönte Fotograf Stefan Boness setzte sich in seiner langjährigen Serie „Flanders Fields“ mit den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs in Flandern auseinander. Der Titel verweist auf das insbesondere in der englischsprachigen Welt bekannte Gedicht „In Flanders Fields“ des kanadischen Offiziers John McCrae, sowie auf die konzeptionelle Eingrenzung auf die einstigen Schlachtfelder Belgiens. Von 2005 bis heute kehrte Boness immer wieder und bewusst zu unterschiedlichen Jahreszeiten zurück, zusammen für mehr als ein dreiviertel Jahr: „Manche Themen sind flüchtig, andere bleiben. Das ist eben ein Thema, von dem kommt man nicht los.“
Als Jugendlicher besuchte Boness Flandern und war von der allgegenwärtigen Erinnerung an den Ersten Weltkrieg fasziniert. Seine Großmutter zeigte ihm einst ein Eisernes Kreuz, aufbewahrt in einem Nähkästchen – doch die Geschichte jenes Soldaten ist verblichen. Die Erinnerungen an den Krieg unterscheiden sich in der Tat von Land zu Land. Boness wollte sich dem längst vergangenen Krieg und den Erinnerungen daran über die Landschaften nähern: „Viele Wunden sind zu sehen, aber die Natur hat sich auch regeneriert.“ Der Künstler sah keine Notwendigkeit, andere ehemalige Schlachtfelder aufzusuchen; die Serie funktioniert mit der Reduktion auf ein – immer noch riesiges – Gebiet, in dem die Erinnerung an den Krieg allgegenwärtig ist. „Flanders Fields“ steht für die Narben, die der Erste Weltkrieg in den Landschaften hinterlassen hat, und ebenso für die generelle Erinnerung und den Umgang mit Krieg, abseits von menschlich-kurzen Lebenszyklen.
Im dokumentarischen Stil fotografierte er nachhaltig deformierte Landschaften und Relikte wie Bunker und Grabensysteme – teils verfallen, teils bewusst erhalten –, genauso wie Denkmäler, Friedhöfe und andere Bestandteile der Erinnerungskulturen. An seinem Stil zeigt sich die Prägung durch die konzeptionelle Fotografie in Großbritannien. „Jedes Thema braucht ihren eigenen Zugang, den eigenen Stil.“ „Flanders Fields“ wurde mit einer analogen Mittelformat-Kamera fotografiert. Viele der Fotografien sind auch schlichtweg schöne Landschaftsaufnahmen, wie die eines kleinen Sees in einer Waldeslichtung. Doch das geschultere Auge bemerkt sofort die allzu große Regelmäßigkeit des kreisrunden Teichs: Das Waldidyll basiert auf einem großen Granattrichter. Das Pittoreske steht somit in starkem Kontrast zu den Geschehnissen vor einhundert Jahren. Der Kontext ändert die Wahrnehmung anderer Aufnahmen: Traktorenspuren im schlammigen Grund rufen Bilder der ersten Panzer ins Gedächtnis, oder auch schwerer Zugmaschinen, die Geschütze zu ihren Positionen bringen; das abgeerntete Feld im Nebel erinnert an zerschossene Wälder – die Landschaften sind so menschenleer wie das einstige Niemandsland. Eine Straße führt an einem Feld vorbei, der Blick ist zentral auf einen Wegweiser ausgerichtet: Ieper nach links, Passendale, Langemark nach rechts. Alles Namen, die mit dem Leiden und Sterben Unzähliger untrennbar verbunden sind. Jeder habe heute seine Probleme, aber „alles ist lächerlich im Vergleich zu dem, was die Leute [im Krieg] durchmachen mussten. Das zu vermitteln ist wichtig“, so Boness. Auf einem der Fotos spielen Kinder unbefangen in einem erhaltenen Schützengraben; man kann nur hoffen, dass die Unvorstellbarkeit der einstigen Kämpfe für sie und uns Teil einer fern anmutenden Geschichte bleibt.