Wie bereits hier angekündigt, hat Annie Leibovitz ihre Ausstellung „A Photograper’s Life . 1990-2005“ in der Galerie C/O Berlin am 20.02.2009 eröffnet. Neben zahlreichen Prominentenportraits und privaten Aufnahmen findet sich auch eine kleine, aber feine Auswahl ihrer Fotos aus Sarajewo und Ruanda.
Mehr als 300 Journalisten hatten sich für die Pressekonferenz angemeldet, ca. 180 wurden hierfür zugelassen, so Mirko Nowak, PR Coordinator der Galerie C/O Berlin. Dementsprechnend war es ein „arges Gewese“, wie es ein Fotograf ausdrückte, mit dem ich mich ein wenig unterhielt. Ein Herr von einem öffentlich-rechtlichen Sender war dringend auf der Suche nach einem Fotografen, der die ausgestellten Bilder von „Fachseite“ kommentiert haben wollte – doch entweder wird man von einem Bild berührt oder nicht. Wie wichtig ist dabei die verwendete Blende oder das eingesetzte Objektiv? Genauso argumentierte der angesprochene Fotograf. In der anschließenden Gesprächsrunde gab es nicht nur eine halbwegs dämliche Frage, was von Frau Leibovitz auch so kommentiert („Now that’s a silly question.“) und auch gleich begründet wurde.
Der Besuch der Ausstellung ist zumindest lohnenswert. Wie üblich beschränke ich mich auf den für dieses Blog interessanten Inhalt und lasse die sehenswerten Celebrityportraits ebenso außen vor wie die zahlreichen privaten Aufnahmen, sei es mit der Familie am Strand oder am Krankenbett von Leibovitz‘ im Jahr 2004 verstorbener Gefährtin Susan Sontag.
Bei den Portraits sind einige dabei, wenn diese auch meistens sehr klassisch-offiziell daherkommen, wie z.B. den insbesonders durch den Golfkrieg bekannten General Norman Schwarzkopf, 1991 als Commander-in-Chief CENTCOM aufgenommen. Gleiches gilt für General Colin Powell, der 1991 noch Chairman of the Joint Chiefs of Staff war (also Vorsitzender des Generalstabs). Beide Fotos werden bei C/O gegenübergestellt – und zwischen ihnen findet sich ein Stealthflugzeug des Typs F-117A, der nicht zuletzt durch seinen Einsatz im Golfkrieg 1990/91 berühmt wurde: die angeschnittene, markante Silhouette im Überflug, das Flugzeug auf eine Ansammlung geometrischer Elemente reduzierend, reines Schwarz vor dem grauen Himmel.
Den damaligen US Präsidenten Bill Clinton hat sie noch 2000 fotografiert, 2001 dann seinen Nachfolger George W. Bush mit seinen engsten Kabinettsmitgliedern. Letzteres Foto findet sich in einer Reihe mit dem damaligen Generalbundesanwalt John Ashcroft und – dem Guerilla-Dokumentarfilmer Michael Moore.
Annie Leibovitz fotografierte u.a. auch nach dem Völkermord in Ruanda. Von diesen Aufnahmen ist leider nur das überaus kraftvolle Bild „Traces of the massacres of Tutsi schoolchildren and villagers on a bathroom wall, Shangi Mission School, Rwanda, 1994“ zu sehen: nichts außer den zahlreichen Blutspuren auf einer gelblichen Wand, größtenteils verwischt – und doch wird damit der Schrecken verbildlicht, ohne Leichen zeigen zu müssen.
Eine weitere Reise führte sie ins belagerte Sarajewo zu ihrer Partnerin Susan Sontag. Aus dieser Serie sind insgesamt 11 Fotografien ausgestellt, die meisten davon zeigen Sontag, z.B. in den unterirdischen Redaktionsräumen der während der Belagerung täglich erscheinenden Zeitung Oslobođenje. Ein weiteres Bild zeigt Sontag in der Nationalbibliothek – an sich ein nicht ungewöhnlicher Ort für eine Autorin, doch ist diese Bibliothek vollkommen zerstört. Die Vernichtung von Kulturgütern zur Auslöschung nationaler Identität findet sich nur zu häufig in Kriegen.
Das in diesem Artikel gezeigte, erschütternde Bild des auf dem Boden liegenden Fahrrads wirkt ähnlich indirekt wie jenes aus Ruanda: die Tat ist (jüngste) Vergangenheit, doch das Leid spielt sich im Kopf des Betrachters ab. Annie Leibovitz schrieb dazu: „Das Bild von dem Fahrrad und den Blutspuren habe ich aufgenommen, unmittelbar nachdem der Junge auf dem Fahrrad von einem Mörser getroffen worden war. Dieser war vor unserem Wagen eingeschlagen. Ich war auf dem Weg zu einem Shooting mit Miss Sarajevo. Wir haben ihn in den Wagen gelegt und zum Krankenhaus gefahren, aber er starb auf dem Weg.“1
Nun hat jedoch der Kriegswissenschaftler etwas zu meckern: Warum heißt dann das Bild „Fallen bicycle of teenage boy just killed by a sniper, 1994″? Ein Scharfschütze (sniper) hat mit einem Granatwerfer oder Mörser recht wenig zu tun. Eine Mörsergranate tötet – zumal auf eine Straße mit sich bewegenden Personen abgefeuert – ungerichtet diejenigen, die sich im Umkreis des Einschlags befinden. Sollte der Eindruck der gezielten Tötung des Jungen vermittelt werden? Dies wäre schade, da unnötig, denn das Feuern mit einem Granatwerfer auf eine von Zivilisten befahrene Straße einer UN-Schutzzone ist nicht weniger unentschuldbar als das gezielte Erschießen einzelner Zivilisten (was in Sarajevo genauso nur Tagesordnung gehörte). Die Qualität des Bildes wird davon nicht berührt – doch bei mir klingeln Propagandaalarmglocken, wenn offenbar bewußt ein fehlleitender Titel gewählt wurde, macht man sich damit doch unnötig angreifbar.
Vielleicht hilft es, sich eine weitere Aussage von Leibovitz dazu anzusehen: „Ich bin keine Journalistin. Ein Journalist ist nicht parteiisch, und ich will so nicht durchs Leben gehen. Als Fotografin ist meine Stimme stärker, wenn ich einen Standpunkt zum Ausdruck bringe. (…) Großartige Fotografien kamen aus Sarajewo [während der Belagerung 1993]. Und großer Journalismus. Aber keinen schien es wirklich zu kümmern. Ich dachte, dass ich wenigstens dazu beitragen konnte, die Geschichte lebendig zu halten.“2
Hui, das sind mächtige Worte – gab es denn wirklich so gar niemanden, der sich für die Geschichte wirklich interessierte, nur Annie Leibovitz? Ebenso verwundert die Aussage, Journalisten seien nicht parteiisch. Absolute Objektivität ist ein rein theoretisches Konstrukt, auch wenn Objektivität bei einer journalistischen Arbeit natürlich gewünscht ist und die Subjektivität einer jeden Berichterstattung vom Abwägen unterschiedlicher Aspekte bis hin zur reinen Propaganda reicht.
A propos meckern: Außer dem eben erwähnten und eingangs abgebildeten Foto dürfen nur zwei weitere Fotos der Ausstellung aus einer Auswahl von insgesamt 17 Bildern gezeigt werden. Da keines der anderen Bezug zu diesem Blog hat, bleibt es eben dabei und bei eigenen Knipsereien von der Pressekonferenz. Des weiteren ist das inhaltliche Verhältnis der durch die Presse veröffentlichten Bilder genauso festgelegt wie (natürlich) die Bildunterschriften und weitere Details. Wenn ich über eine Ausstellung berichte, ist es wohl selbstverständlich, dass die Namen des Künstlers, der Ausstellung und der Galerie genannt werden – doch wenn man mir dies vorschreibt, reagiere ich ein wenig gallig.
Viel Vergnügen also bei der Ausstellung „A Photographer’s Life . 1990-2005“ von Annie Leibovitz in der Galerie C/O Berlin.
C/O Berlin, Postfuhramt, Oranienburger Str./Tucholskystr., 10117 Berlin
Ausstellung: 21.2.-24.5.2009
Vernissage: 20.2.2009, 1900h
Öffnungszeiten: Täglich 1100-2000h
Eintritt: 10 € (ermäßigt 5 €)
Sonderöffnungszeiten am 15./16./22./23.05. bis 2400h
Zur Ausstellung ist ein Katalog bei Random House erschienen (472 Seiten, 35,1 x 26,7 cm, US$ 100,-):
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